Ein Demonstrant erzählt

 

Zeichen der Solidarität

Ein Gespräch mit Pavel

 

Fotos und Text: David Peters

 

Ihr seid jedes Wochenende in einer anderen Stadt unterwegs um für die Menschen in Belarus zu demonstrieren, wie kam es dazu?

 

Hallo, David, danke das ihr euch die Zeit nehmt und uns bei unseren Aktionen unterstützt. Die Demonstrationen haben letztes Jahr im Sommer in Köln und Düsseldorf begonnen und nach den ersten Demos stellten wir fest, dass die Menschen aus den verschiedensten Ecken in NRW kommen. Daher haben wir uns dazu entschlossen, dass es ganz schön wäre den Menschen entgegenzukommen und die Demonstrationen auch in anderen Städten in NRW abzuhalten. Ein weiterer Vorteil ist das man dadurch noch mehr Menschen ansprechen und informieren kann.

 

Du persönlich kommst aus Aachen, ist es nicht anstrengend jedes Wochenende durch NRW zu reisen?

 

Ja genau, aber ich sehe das nicht als anstrengend. Mit dem Auto ist man doch relativ schnell in Köln oder im Ruhrgebiet. Ich habe auch Freunde in Bochum und Essen die ich dann auch besuchen kann, daher ist es für mich kein Problem.

 

Wann bist du nach Deutschland gekommen?

 

Ich bin 1999 über ein Austauschprogramm zwischen der Universität in Minsk und der Universität Bochum nach Deutschland gekommen und bin geblieben

 

Was genau hast du studiert und was machst du heute beruflich?

 

In Minsk habe ich mit einem Physikstudium angefangen und mich später auf Biophysik konzentriert, in Deutschland angekommen habe ich ein neues Studium begonnen und habe Kernphysikstudiert. Heute arbeite ich im Forschungszentrum in Jülich, damals war es noch als Kernforschungsanlage geplant, heute sind die Forschungsberichte breiter gefächert. Wir arbeiten an verschiedenen Projekten wie dem menschlichen Gehirn, an Super Computern, Festkörperphysik und vielen anderen Themen. Wann warst du das letzte Mal in Belarus und wie war zu der Zeit die politische Stimmung? Das war vor fast zwei Jahren, zu dem Zeitpunkt war noch kein Mensch öffentlich politisiert. Genauso wie es Lukaschenko wollte, keiner steckt seine Nase in die Politik und die Bevölkerung war der Meinung das man da nichts dran ändern kann. Man hatte den Eindruck das was in der Politik entschieden wird, nichts an unserem Leben ändert. Sondern es geht nur um Personen, die bessergestellt sind und um ein schmutziges Geschäft. Zu dem Zeitpunkt lebte jeder für sich selbst, man lernte im eigenen ECO-System zu leben in dem man trotz der politischen Umstände gut leben konnte. Die Menschen, die oft sehr gebildet sind, haben festgestellt, dass Sie gute Arbeit machen und mit den Wissenschaftlern außerhalb von Belarus mithalten können. Daher haben sich viele die Frage gestellt, warum bin ich so gut lebe aber so schlecht? Durch diese Unzufriedenheit und diesem Frust entwickelte sich dann das Bewusstsein das Politik doch wichtig ist, und dass man es doch in die eigenen Hände bekommen muss. Erst im August 2020 gab es den ersten Politischen Ausdruck, davor war davon gar nichts zu sehen, es konnte keiner ahnen was da kommen würde. Im August kam es dann zu den ersten Demos, wie hast du die erlebt und wo warst du zu dem Zeitpunkt? Zu dem Zeitpunkt war ich in Griechenland segeln und habe mir ein schönes Leben gemacht, dann habe ich in den Nachrichten gesehen, dass in Belarus Kriegszustände herrschen, und habe mich schlau gemacht was dort genau los ist. Zu dem Zeitpunkt war uns schon vollkommen bewusst das Lukaschenko die Wahlen beeinflussen wird, da das aber auch schon in den 20 Jahren davor so war, hat das niemanden so wirklich gestört. Nach den Wahlen ging es das erst mal Menschen auf die Straße, um die Unzufriedenheit zu zeigen. Im Jahr 2010 kam es schon einmal zu solch einer Demonstration diese wurde aber innerhalb von einem Tag brutal unterbunden, daher dachte ich es wird wieder so sein. Aber es wurde schlimmer, es wurde mit Gummigeschossen geschossen, es wurden Menschen auf der Straße festgenommen und es gab sogar Tote. Danach waren die Leute natürlich sauer und wollten solch eine Gewalt nicht akzeptieren und gingen weiter auf die Straße. Die Menschen haben begriffen, wenn wir nichts tun wird es nur schlimmer und die die Politiker sind eigentlich eine Bande Krimineller und behandeln uns als Sklaven. Die Unzufriedenheit hatte sich über Jahre aufgebaut und ist dann explodiert.

 

Wie hilfst du deinen Mitmenschen in Belarus?

 

Mich persönlich verbindet nur noch wenig mit Belarus, meine Schwestern und ein paar Freunde von mir leben noch dort. Daher bezieht sich meine persönliche Hilfe auf die Demonstrationen hier in Deutschland. Da auch viele Menschen gekündigt wurden, weil sie auf den Demos waren, gründete man sehr schnell einen Solidaritätsfond in dem innerhalb von einer Woche mehr als 3 Millionen Dollar gesammelt hatte, das war auch ein Zeichen der Solidarität welches niemand erwartet hatte. Niemand wusste das man im Kollektiv so viel erreichen kann. Mittlerweile versucht man diesen Fond zu verbieten, weil er angeblich Terrorismus unterstützt. Auch ich habe dort einiges gespendet und mich nützlich gemacht.

 

Hast du dich denn direkt nach der Demonstration dafür verantwortlich gefühlt die Menschen in Belarus zu unterstützen?

 

Die weiß rot weiße Flagge war eine Zeitlang unsere Staatsflagge. In Folge eines Referendums hat der Nostalgiker Lukaschenko aber dafür gesorgt, dass die alte Flagge, die in UDSSR Zeiten genutzt wurde, wieder unsere Staatsflagge wurde. Niemand hatte 2020 damit gerechnet, dass die weiß-rot-weiße Flagge plötzlich in solchen Mengen wieder auftaucht, als hätten die Menschen Ihre Fahnen über Jahre hinweg unterm Kopfkissen gehabt. Meine Flagge habe ich vor 20 Jahren geschenkt bekommen, mit dieser Flagge stand ich 2000 mit 3 Leuten vor dem Konsulat, um gegen die damals schon gefälschte Wahl zu demonstrieren. Danach habe ich meine Fahne ordentlich gefaltet und weggelegt, zwischendurch dachte ich sogar daran die Fahne wegzuschmeißen. Als ich dann das erste Mal wieder 2020 zur Demo eingeladen wurde, dachte ich wir werden wieder nur drei Leute sein. Aber es ist ganz anderes geworden, der ganze Platz war voll mit Menschen, Flaggen und Blumen. Es waren viele junge Leute da die sich für die Belarussen eingesetzt haben und auch mir gezeigt haben das ich nicht allein bin. Daraufhin hat sich das alles entwickelt, wir haben uns vernetzt und uns dadurch immer wieder getroffen. Es war ein bisschen so als wenn ich meine Familie getroffen habe, seitdem bin ich so gut wie jedes Wochenende da. Was wünschst du dir für Belarus? Ich wünsche mir, dass Belarus ein Teil von Europa wird. Nicht unbedingt ein Teil der Europäischen Union, aber es wäre schön, wenn wir uns an der Lebensweise und deren Organisation orientieren. Ich würde auch gerne sehen, dass ich ohne Visum nach Belarus reisen kann, oder wenigstens leicht an ein Visum kommen kann. Ich wünsche mir auch, dass die Rechtsprechung in Belarus fair und offen wird, sodass nicht immer die Falschen gewinnen.