Die Plattform der Partisanen

Telegram war schon vor den Protesten eine beliebte App in Belarus, zeigte aber erst nach den Präsidentschaftswahlen im August 2020 ihr wahres Potenzial. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko, der mittlerweile 26 Jahre an der Macht ist, hatte möglicherweise keine Anzeichen für Schwierigkeiten gesehen, als sich der Wahltag näherte. Wie bei den vorangegangenen Wahlen schien sein Sieg garantiert; die Gegner wurden gespalten und einige bereits inhaftiert. Trotzdem war die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem alten Regime da. Als die Wahllokale geschlossen wurden, brachen die Proteste gegen die Wahlergebnisse aus. Telegram spielte aus mehreren Gründen eine entscheidende Rolle im Verlauf der folgenden Ereignisse.

 

Die Ereignisse vom 9. August 2020 erschütterten das Land. Die Bilder der Protestierenden, die Lukaschenkos Regierung Wahlbetrug vorwerfen und die Gewalt der Spezialeinheiten gegen sie, waren weltweit in den Nachrichten zu sehen. Nicht jedoch in den belarussischen Staatsmedien, die schwiegen und sich stattdessen freuten, einen weiteren eleganten Sieg des Amtsinhabers mit 80% der Stimmen zu vermelden. Im Informationsvakuum wandten sich viele Menschen an die Nachrichten-kanäle auf Telegram, in der Hoffnung, mehr über die Geschehnisse im Land zu erfahren.

 

Die belarussische Regierung erkannte die Bedrohung, die von den unabhängigen Medien ausging und versuchte ihre Verbreitung zu stoppen. Gerade als die Wahllokale am 9. August geschlossen wurden, schaltete die belarussische Regierung das Internet im ganzen Land für drei Tage komplett ab. Einige konnten über das VPN eine Internetverbindung herstellen, aber die Mehrheit blieb während dieser Zeit ohne Internetzugang.

 

Als die Regierung versuchte, den Internetzugang einzuschränken, wurde es für die Mehrheit noch offensichtlicher, wo Informationen zu finden sind. Telegram wurde zur beliebten Alternative, um Nachrichten zu erhalten. Während die TV-Kanäle ausschließlich regierungsfreundlich bleiben, schufen alternativen Nachrichten- Webseiten ihre eigenen Telegram-Kanäle.

 

Dadurch wurden auch diejenigen, die noch nicht überzeugt waren, zu erfahrenen Telegram-Benutzern. Die Abonnentenzahlen der der dortigen Nachrichten-Kanäle wuchs drastisch, während viele Kanäle geschaffen wurden, um die Proteste vor Ort zu organisieren. Der Telegram-Kanal NEXTA live, der Echtzeitinformationen zu den Protesten veröffentlichte, wuchs in den drei Tagen nach der Wahl von 300.000 auf 2 Millionen Nutzer_innen an und wurde zu einem der größten Telegram-Kanäle. Der 22-jährige Gründer des Kanals, Stepan Putilo, wurde von der belarussischen Regierung zum Terroristen erklärt.